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Autofahren mit Marx: Begriffsklärungen

Das Auto als Ware

1. Das Auto als Ware

In der Warengesellschaft, auch Kapitalismus oder Marktwirtschaft genannt, sind Autos nicht nur Gegenstände zur Fortbewegung sondern vor allem Wertdinge. Mit anderen Worten: Waren. Marx unterscheidet zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert einer Ware. Der Gebrauchswert steht für die Beschaffenheit des Produkts, dessen Eigenschaften bzw. Nützlichkeit, damit es jemand erwerben möchte. Ein Auto sollte fahren können.

 

Der Tauschwert entsteht dagegen durch die eigentümliche Art der sozialen Beziehung zwischen den Menschen im Kapitalismus. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht miteinander teilen, was sie in Kooperation produzieren, sondern auf dem Markt tauschen. Um sowohl tauschen als auch im richtigen Maßstab (äquivalent) tauschen zu können, wird ein einheitlicher Vergleichsmaßstab für alle unterschiedlichen Produkte benötigt. Das ist der Tauschwert. Er basiert auf dem Wert, der wiederum nichts anderes als die durchschnittlich verausgabte Arbeitszeit für die Herstellung einer Ware ist. Es ist also die Dauer der Arbeit, die in der Ware repräsentiert ist, die sie vergleichbar macht. Und deshalb bestimmt die Zeit den Wert der Waren, die aus der Arbeit hervorgehen. Dieser Wert „steckt“ allerdings nicht im Produkt, wie viele meinen. Man kann ein Auto in noch so kleine Teilchen zerlegen, Wert wird man dort nicht finden. Es gibt ihn weder geistig noch materiell. Er ist das Prinzip, nachdem sich die Vergleichbarkeit materiell und geistig unterschiedlicher Produkte herstellt. Es setzt sich „hinter dem Rücken der Produzenten“ durch. Das bekommen wir nicht mit. Wir sehen nur in Geld ausgedrückte Preise. Die Preisbewegung (auf und ab) ist ein realer Prozess, in dem sich das Wertgesetz vollzieht. Marx bezeichnet die Ware als „Elementarform“ der kapitalistischen Gesellschaft, deren Geschicke durch die „phantasmagorische Form“ des Werts bestimmt werden.

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Der Begriff des Gebrauchswerts hat häufig zu Missverständnissen geführt, da die materiellen und geistigen Eigenschaften eines Produkts mit dem (Tausch-) Wert nichts zu tun haben. Marx verwendet den Begriff doppeldeutig: Einmal als subjektive Einstellung zum Produkt (gefällt mir, will ich haben, kann ich gebrauchen) und einmal als gesellschaftliche Kategorie, die aus der Tauschpraxis der Gesellschaft hervorgeht. Anstelle von Gebrauchswert sind daher andere Begriffe sinnvoller: „Gebrauchseigenschaften“, „Beschaffenheit“, „Nutzbarkeit“ oder „materielle und immaterielle Eigenschaften“.

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2. Konzerne

Konzerne

Eigentumsrechtlich ist Volkswagen eine Aktiengesellschaft und hat daher viele Eigentümer*innen. Die Familien Porsche und Piëch halten die Aktienmehrheit und bestimmen damit größtenteils die Geschicke des Unternehmens. VW wird auch als Konzern oder Holding bezeichnet, weil zahlreiche verschiedene Unternehmen und Marken hier unter einem Dach vereinigt sind. VW betreibt im Wesentlichen die zwei Sparten Fahrzeuge und Finanzdienstleistungen (Bank, Versicherungen, Leasing)-

 

Die Grundlage der Herausbildung von solchen großen Unternehmen bilden nach Marx Arbeitsteilung, Kooperation, Konzentration und Zentralisation. In vorkapitalistischen Gesellschaften hat sich die große Mehrzahl der Menschen, Bauern und Handwerker, an einer großen Vielzahl von Aufgaben zur Herstellung der Mittel zur Bestreitung des Lebens beteiligt. Mit dem Aufkommen der Manufaktur und dann Industrie, wurde die in Ansätzen schon vorhandene Arbeitsteilung so massiv vorangetrieben, bis die Arbeit von Abermillionen Arbeiter*innen nur noch aus wenigen Handgriffen bestand. Es entstanden unzählige einseitige Berufe, entsprechend der Bedürfnisse der Industrie. Die Arbeitskräfte wurden und werden unter „einem Dach zusammengeführt“, damit sie mit ihren verschiedenen Arbeiten in der Produktion kooperieren. Nur so führen die unterschiedlichen Arbeitsgänge zu den gewünschten Waren. Die Arbeitenden bleiben dabei Privatpersonen, die außer der gemeinsamen Arbeit, im Prinzip nichts miteinander zu tun haben und die Eigentümer*innen der Produktionsmittel bestimmen über die Arbeitsteiligkeit und die Bedingungen der Zusammenarbeit. Immer mehr Menschen und Ressourcen werden zu immer größeren Unternehmen zusammengeführt, sprich konzentriert, um günstiger und effizienter produzieren zu können und so in der Konkurrenz bestehen zu können. Die anderen Konzerne und Holdings machen es ja genauso. Nur wer die Nase vorn hat, überlebt. Die Konzentration, die sich aus den Bedingungen der der Produktion selbst ergibt, lässt sich nur bewerkstelligen, wenn große Kapitalien für einen bestimmten Zweck zentralisiert werden. Jede Menge Kapital ist erforderlich, um die Maschinerie, Infrastruktur, Gebäude, Transport etc. unablässig zu modernisieren. Dazu gründen manche Konzerne sogar Banken und schließen sich mit zahlreichen anderen ehemaligen Konkurrenten, im Guten wie im Bösen (feindliche Übernahme), zusammen.

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General Intellect

3. General Intellect und Automatisierung

Bei Marx kommt der Begriff des General Intellects nur einmal vor und doch ist er sehr bedeutend. Dahinter verbirgt sich die von Marx allerdings vielfach beschriebene Notwendigkeit im Kapitalismus, immer mehr Wissen und gesellschaftliche Erfahrung einsetzen zu müssen, um die Verwertungsmöglichkeiten zu erhalten und zu erweitern. Er schreibt: „Die Entwicklung des capital fixe zeigt an, bis zu welchem Grade das allgemeine gesellschaftliche Wissen, knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozess selbst unter die Kontrolle des general intellect gekommen und ihm gemäß umgeschaffen sind.“ Die Bedeutung und Kosten für „Maschinerie“ (capital fixe) wachsen stetig an, während die unmittelbare menschliche Arbeitskraft im einzelnen Betrieb immer mehr an Bedeutung verliert. Der Zwang zur stetigen Senkung von Kosten und Ausdehnung der Produktion zwingt zur „Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals“, wie Marx den Sachverhalt ausdrücken würde. Um ein Hammer und ein Amboss herzustellen, wird recht wenig Wissen und viel Erfahrung benötigt. Um auf das glühende Eisen einzuhämmern, wird ein starker Arm benötigt.

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Bei einem Roboter sieht das völlig anders aus. Damit ein Roboter denselben Vorgang wie der Schmied ausführen kann, wird das Wissen von hunderttausenden Menschen benötigt, das weltweit an den verschiedensten Stellen durch Kooperation entsteht. In seine Planung, Herstellung und Anwendung praktisch allen wissenschaftlichen, technischen und sozialen Disziplinen einbezogen, die weder in einem einzelnen Unternehmen entstehen könnte, noch deren Kosten kein Unternehmen alleine stemmen könnte.

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Tritt der Roboter in Aktion, wird der starke Arm und sein Besitzer nicht mehr benötigt. Der automatische Arm kann unendlich vielseitiger eingesetzt werde und dies schneller, genauer und rund um die Uhr. Sein Einsatz ist kein Wunschkonzert, sondern eine zwingende Notwendigkeit, möchte ein Unternehmen profitabel überleben.

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Deshalb ist ein möglichst freier Zugriff auf dieses Weltwissen gefragt. Das soll der Staat richten. Forschung, Bildung und Infrastruktur gehen auf die Kappe der Allgemeinheit, während deren Verwertung beim privaten Unternehmen liegen soll.

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Andererseits versuchen die Entscheider*innen über die Produktion, mit tatkräftiger Unterstützung des Staates, das exponentiell wachsende gesellschaftliche Wissen immer wieder in die Eigentumsform „einzufangen“, z.B. durch Patente, Privatuniversitäten, Private Forschungszentren, Lizenzen, gesellschaftliche Medien (Facebook und Co.), um dieses Wissen profitabel zu machen. So schwanken die Unternehmen immer wieder zwischen einer „Auslagerung“ der enormen Kosten für das Wissen an den Staat und einer Aneignung als Privatbesitz. Im Rahmen der Weltkonkurrenz „is the winner“, wer sich möglichst viel General Intellect aneignen kann, als Unternehmen und als Staat.

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Je mehr General Intellect, desto weniger lebendige Arbeit wird im unmittelbaren Arbeitsprozess benötigt. Allein aus seinen Schlussfolgerungen über der Zwang zur Automatisierung aufgrund der Logik der Verwertung, hat Marx exakt das vorhergesehen, was wir heute erleben: „Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], dass es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren sucht, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt.“

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4. Gewerkschaften

Gewerkschaften

Historisch gesehen waren Gewerkschaften Verteidigungs-Organisationen der arbeitenden Menschen, die unter Hunger und unsäglichen Arbeitsbedingungen gelitten haben. Von Anfang an ging es um die Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen innerhalb der warenförmigen Gesellschaftlichkeit und nicht um die Aufhebung des Geldes, der Lohnarbeit oder der fremdbestimmten Arbeit an sich. Letzteres war die ursprüngliche Zielsetzung der kommunistischen Weltbewegungen. Die Unterschiede zwischen gewerkschaftlichen und kommunistischen Interessen sind mehr oder weniger verschwunden. Heute stehen praktisch alle linken Parteien, Organisationen und Bewegungen auf dem Boden der Wertlogik und haben nicht im Programm, sie grundsätzlich abzuschaffen. Durch die Auslagerung von immer mehr Arbeiten in die Scheinselbständigkeit und Solo-Selbständigkeit und damit einhergehende Schrumpfung der sogenannten Stammbelegschaften, sind die Gewerkschaften in die Krise geraten. Sie vertreten vorwiegend die Belange der traditionell gebliebenen Arbeiter- und Angestelltenschaft und auf Betriebsebene die Interessen des Unternehmens. Hauptsache Arbeitsplätze erhalten lautet die Devise. Ihre Mitgliedschaft schrumpft weltweit dramatisch und neue, andere Formen der Organisation der atomisierten Einzelarbeiter*innen sind bisher nicht wirklich praktikabel.

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5. Die Arbeiterklasse

Die Arbeiterklasse

Wir leben in einer Zeit, in der die traditionelle Industriearbeit, wie sie in „Blue Collar“ gezeigt wird, tendenziell verschwindet. Das hat vielfach zu der Annahme geführt, dass die Arbeiterklasse verschwinden würde. In der Tendenz ist dies richtig. Es gibt sie aber noch und nicht zu knapp. Noch immer arbeiten Millionen Arbeiter*innen wie vor fünfzig, hundert oder zweihundert Jahren. Der Kapitalismus ist ein globales System und zahlreiche industrielle Handarbeiten werden in die ärmeren Regionen der Welt ausgelagert. Sie verschwinden nur aus unserem hiesigen Blick. Aber auch hier stehen noch hunderttausende Frauen und Männer am Band in der Müllsortierung, Montage, Filetierung, Portionierung, Zerlegung in der Fisch- und Fleischindustrie.

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Überall dort, wo der Einsatz automatisierter Technologie zu teuer oder wissenschaftlich-technisch noch nicht machbar ist, wird es weiterhin viel von dieser vorwiegend physische Arbeit geben. Gleichzeitig entstehen neue Arbeiten, wie Eva sie beschrieben hat, die häufig eine hohe Qualifikation erfordern, aber nicht mehr unter dem „Dach“ eines Unternehmens ausgeführt werden.

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Für Marx sind Klassen Kategorien, die aus der Rolle der Menschen im kapitalistischen Reproduktionsprozess hervorgehen. Die Klasse der Arbeiter produziert den Mehrwert, die Klasse der Kapitalisten eignet sich diesen an. Beide sind „Charaktermasken“ und Getriebene der Kapitalverwertung. Wobei die einen monetär meistens mehr vom „Kuchen“ abbekommen, als die anderen. Ob die Arbeiterklasse im blauen, weißen oder ohne Kittel arbeitet, ob sie zusammengepfercht in riesigen Gebäuden schuftet, an Bändern oder Computern steht oder ob aus dem Wohnzimmer zu Hause ihre Arbeitskraft zu Verfügung stellt, spielt für die Definition einer Klasse keinerlei Rolle. Sogenannte Solo-Selbständige zählen zur Arbeiterklasse, wenn sie durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft für andere Mehrwert erzeugen. Das deckt sich häufig mit dem was wir heute als „Scheinselbständigkeit“ bezeichnen.

 

Halten sie sich dagegen durch die Herstellung und den Verkauf eigener Waren, wie z.B. Software-Applikationen, Drehbücher oder Sticker direkt an Konsument*innen oder andere Unternehmer*innen über Wasser, gehören sie nicht dazu. Sie sind dann weder Kapitalist*innen noch Arbeiter*innen. Wenn jedoch, wie Marx es vorausgesehen hat, die mehrwertproduktive Arbeit aufgrund der Automatisierung nicht nur in einigen Firmen, sondern gesamtgesellschaftlich sinkt, dann kommt der Kapitalismus in arge Schwierigkeiten. Er entzieht sich seine eigene Existenzbasis, den Mehrwert. Und vieles deutet, wie weiter oben schon angedeutet, darauf hin, dass wir mitten in einer solchen „Endkrise“ stecken. Noch einmal Marx: „Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“

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6. Die Arbeitskraft als Ware

Die Arbeitskraft als Ware

Wenn ich zuhause koche, dann übe ich eine bestimmte Tätigkeit aus. Nach dem Kochen wird gegessen und fertig. Ich kann einen Teil des Essens mit dem Fahrrad zu Freunden bringen, damit sie auch etwas davon abgekommen. Ich transportiere Möbel für einen Umzug von Bekannten. Wieder eine andere Tätigkeit. In die Vergangenheit geschaut: Vor dem Kapitalismus ist die große Mehrheit der Menschen Tätigkeiten nachgegen, ohne dass sie dafür einen Lohn bekommen hätten. Die Bauern waren für sich tätig, ein Teil war Zwangsabgabe für die Feudalherren und Kirchenleute. Andere waren Sklaven, und wiederum andere Leibeigene. Niemand wäre auf die Idee gekommen, diesen Menschen für ihre Tätigkeiten Geld zu geben. In der Antike bis weit ins Mittelalter hinein, wurden zwar auch einige Produkte als Waren auf Märkten getauscht, die Arbeitskraft aber eher selten. Mit dem Kapitalismus ändert sich dies radikal. Menschen müssen ihre Arbeitskraft verkaufen, weil sie mehrheitlich nicht mehr über Land und Produktionsmittel verfügen. Die Arbeitskraft wird zur Ware. Der Kapitalismus ist nur möglich, weil geschichtlich gesehen immer mehr Menschen in die Zwangssituation gebracht wurden, ihre Arbeitskraft gegen Geld anzubieten zu müssen.

 

Das hat es in sich. Denn die Ware Arbeitskraft hat eine Besonderheit, die keine andere besitzt: Sie kann mehr Wert produzieren, als der Arbeitskraftbesitzer an Wert dafür erhält. Marx: „Der Wert der Arbeitskraft, gleich dem Wert jeder anderen Ware, ist bestimmt durch die zur Produktion, also auch Reproduktion, dieses spezifischen Artikels notwendige Arbeitszeit.“ Und weiter stellt er fest: „Die zur Produktion der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit löst sich also auf in die zur Produktion dieser Lebensmittel notwendige Arbeitszeit, oder der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung ihres Besitzers notwendigen Lebensmittel.“ Super. Ein*e Arbeiter*in kann also 10 Stunden Wert erzeugen, benötigt aber nur 3 Stunden Wert, um sich zu kleiden, zu ernähren und zu Wohnen. Bleiben 7 Stunden Wert übrig, die dem Kapitaleigner voll und ganz zu Verfügung stehen. Dieser Teil wird als Mehrwert bezeichnet.

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Die Arbeiterbewegung sah in dieser Aneignung des Werts die ungerechte Grundlage der Ausbeutung der arbeitenden Menschen. In ihren Augen wurden sie bestohlen, weil sie nicht das volle Äquivalent für die gesamte Arbeitszeit zurückerhielten. Das Prinzip gilt bis heute. Auf der einen Seite hat Marx das Arbeiterdasein und die Ausbeutung vehement kritisiert, zu dem Sachverhalt selbst aber gemeint, dass dieser „ein besonderes Glück für den Käufer“ (der Arbeitskraft), aber „durchaus kein Unrecht gegen den Verkäufer“ (der Arbeitskraft) sei. Erst der Mehrwert ermöglicht die Akkumulation von Kapital und dessen Einsatz für die stetige Erweiterung der Produktion, Finanzierung eines Staates und dessen Infrastruktur. Dass dabei die einen immer Reicher und viele immer ärmer werden, sehen die Verteidiger des Systems als bedauerlichen Kollateralschaden an.

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7. Geld

Geld

Geld kann ruhig auf den Bäumen wachsen, wie hier vorgeschlagen wird. Es ist vom Standpunkt eines guten Lebens überflüssig. Im Geld drückt sich die verrückte Tatsache aus, dass fast alle körperlichen und geistigen Tätigkeiten in die Wertform gebracht werden müssen, um tauschbar zu sein. Geld ist der Ausdruck einer Gesellschaft, in der die Menschen ihre Gesellschaftlichkeit durch eine Beziehung zu den Resultaten ihrer Arbeit in Gestalt von fremden Sachen, Waren, herstellen, als hätten sie mit dem Ganzen nicht wirklich etwas zu tun. Bei Marx läuft das unter „Entfremdung“, „Verdinglichung“ und „Versachlichung“ menschlicher Beziehungen. Geld ist das eigentliche Lebensmittel und alle glauben daran. Geld ist an die Stelle von Gott getreten. Aber im Gegensatz zur Religion ist das Gemeine am Geld, dass ich es mir nicht aussuchen kann, ob ich es haben möchte oder nicht. Ich kann dem Glauben abschwören, dem Geld nicht.

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Geld ist der sichtbare Ausdruck des Werts, der durch die lebendige Arbeit in der Warenproduktion entsteht. Geld abschaffen, das Programm von Marx, ist gleichbedeutend mit der Abschaffung von Tauschverhältnissen und der Ware Arbeit, wie sie im Kapitalismus entstanden ist und wir sie heute kennen.

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8. Arbeitsfetischismus

Arbeitsfetischismus

Ich denke, dass bis hierher deutlich geworden ist, dass Marx die Realität, die der Wert setzt, strikt ablehnt. Sein Werk heißt „Kritik der politischen Ökonomie“ und nicht „Begrüßung der politischen Ökonomie“. Die Kritik richtet sich gegen die Tatsache, dass Tätigkeiten den Charakter von Wert-Arbeit annehmen, die für die individuelle Reproduktion notwendig ist. Dass der moderne Kapitalismus in wachsendem Maß auch nach vielseitigeren, umfassenderen Arbeiten verlangt, die eine gewisse Entfaltung von Kreativität und Initiative ermöglichen und mit denen sich die Menschen auch identifizieren können, ändert an dem Grundprinzip des Tausches von Arbeit gegen Geld nichts. Kommunismus bedeutet Überwindung von Eigentum und Tausch und damit auch Überwindung des Arbeiterdaseins mit samt der entfremdenden, vereinseitigenden und entmenschlichenden Arbeit, wie sie im Kapitalismus für die große Mehrheit der Menschheit geformt wurde und wird.

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Die Arbeiterbewegung, historisch stark vom der Arbeitsethik des Protestantismus geprägt, und die realsozialistischen Länder, die daraus hervorgingen, waren ganz im Gegensatz zu Marx, stolz darauf, dass die Arbeiter alle Werte schaffen. Aus Kritik wurde Affirmation. Die von Marx kritisierte Arbeit, wurde geadelt und geradezu fetischisiert. Der Mensch im Blaumann, das Gesicht von Ruß geschwärzt, in der einen Hand den Hammer, die andere zur Faust geballt, erhobenen Hauptes in die Ferne blickend, das war und ist für Viele nach wie vor das Idealbild der menschlichen Selbstverwirklichung. Mit wachsender Krise und Rationalisierung gibt es nur noch eine gesellschaftlich allgemein anerkannte Parole: „Hauptsache Arbeit“.

 

Was würde Marx heute den Arbeiter*innen von VW zurufen, die um ihre Plätze an den Fließbändern und in den Großraumbüros bangen und wirklich zu allem bereit wären, damit alles so bleibt, wie es „schon immer“ war: „Freut euch doch, dass die Maschinen nun eure Arbeit übernehmen. Das gibt euch mehr Zeit- und Spielraum, damit ihr euch gemeinschaftlich der kreativen Gestaltung einer anderen Gesellschaft widmen könnt. Eine Gesellschaft, in der ihr bestimmt, was ihr und eure Mitmenschen tatsächlich für ein gutes Leben benötigen und unter welchen Bedingungen und Kriterien ihr eure Lebensbedingungen herstellen wollt. Verwendet die Resultate eurer Tätigkeiten so, wie ihr das vorher gemeinschaftlich geplant und festgelegt habt. Hört auf hörige bezahlte Arbeitskräfte zu sein und nehmt eure Zukunft selbst in die Hand!“

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Marx wird gerne unterstellt, er sei der große Verteidiger der Arbeit gewesen. Die sozialistischen Bewegungen und realsozialistischen Länder haben die Arbeit entsprechend geadelt und als einzig akzeptable Verwirklichung des Menschen angesehen. Damit lagen sie eigentlich auf einer Linie mit den liberalen und protestantischen Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft. Aber es stimmt. Einige Passagen bei Marx lassen diese Interpretation zu, sofern man andere Passagen und den eigentlichen Antrieb von Marx übersieht. Marx kritisiert Arbeit und das Arbeiterdasein als Entfremdung des Menschen von dem Menschen. Deshalb wollte er die Arbeiter von ihrer Bürde befreien, indem die Arbeiterklasse und mit ihr die Arbeit aufgehoben wird. „Es ist eins der größten Missverständnisse, von freier, gesellschaftlicher menschlicher Arbeit, von Arbeit ohne Privateigentum zu sprechen. Die ‘Arbeit’ ist ihrem Wesen nach die unfreie, unmenschliche, ungesellschaftliche, von Privateigentum bedingte und das Privateigentum schaffende Tätigkeit. Die Aufhebung des Privateigentums wird also erst zu einer Wirklichkeit, wenn sie als Aufhebung der Arbeit gefaßt wird”.

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9. Begriffsklärung: Warengesellschaft, der bessere Begriff für unser System

Warengesellschaft

Mit dem Begriff Kapitalismus assoziieren die meisten Menschen Profit bzw. Gewinn, Kapitalisten bzw. Unternehmer, Arbeiterklasse, Eigentum, Finanzkapital, Erwerbsarbeit, Akkumulation, Wachstum, Freiheit oder Ausbeutung etc. Darin kommt die spezifische historische Form der Herstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen über die Waren nicht oder nur sehr vermittelt zum Ausdruck.

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Ich bevorzuge daher den Begriff der Warengesellschaft. Marx bezeichnet die Ware als Elementarform, weshalb sie auch im Begriff für unser System vorkommen sollte. Warengesellschaft richtet das Augenmerk mehr auf die gesamte individuelle und gesellschaftliche Herstellung des Lebens, die sich warenförmig vollzieht, einschließlich aller damit verbundenen materiellen und geistigen Ausdrucksformen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden eben größtenteils über die Waren hergestellt. Die Gesellschaftlichkeit entsteht erst durch die geldvermittelte Produktion von Gütern als Waren und ihre geldvermittelte Konsumtion. Deshalb ist die Schaffung von Tausch- und Eigentumsbewusstsein sowie die Einübung der Tauschpraxis eine der wichtigsten, bewusst wie unbewusst vollzogenen Aufgaben erzieherischer Praxis, vom ersten Augenblick der Geburt eines Kindes an. Das Tauschdenken und die Tauschpraxis bestimmen, bei nur noch wenigen erhaltenen nicht marktvermittelten Beziehungen, die Verhaltensweisen und Vorstellungen der Menschen untereinander bis tief in die intimsten Bereiche des Lebens hinein: „Ich geb dir meinen Saft, gib du mir deinen“ (Die Fantastischen Vier). Das Kapital basiert auf den Warenbeziehungen und ist die Art und Weise, wie sie sich historisch verallgemeinert und über den ganzen Globus ausgebreitet haben.

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10. Marketing und Werbung

Marketing und Werbung

Die Logik der Verwertung, also Kostensenkung und Konkurrenz, zwingen die Unternehmen zur ständigen Ausweitung und Differenzierung der Produktpalette. Jeder hofft, seine Waren auf dem Markt losschlagen zu können. Angesichts des riesigen Angebots werden neben möglichst niedrigen Preisen, unzählige, psychologisch und soziologisch gut durchdachte, höchst kreative Marketingmaßnahmen ergriffen. Die Autostadt steht exemplarisch für diesen Wahnsinn. Und Google, Facebook, WhatsApp, Instagram, Twitter etc. leben größtenteils von der geschalteten Werbung der Hersteller. VW hat 2019 round about 285 Mio. Euro für Werbung aufgewendet. 32,6 Milliarden Euro wurden deutschlandweit ausgeben.

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Da sich alle so verhalten, kommt es zur weiter oben beschriebenen Konzentration und Zentralisation und so unweigerlich zu einer Überproduktion samt Firmenpleiten. Staaten, die sich das leisten können, greifen dann zur Rettung ein und Verlängerung das Siechtum.

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Ausblick

Ausblick

Nehmen wir einmal an, das Management von VW und die größten Kapitaleigner*innen springen über ihren Schatten (träumen wir einmal) entwickeln ein Umweltbewusstsein und entdecken ihre soziale Ader. Gierige, weniger gierige und soziale „Entscheider*innen“ möchten nun die Produktion umstellen (Konversion), weil es definitiv zu viele Autos auf der ‚Welt gibt. Doch wie es so schön heißt, „der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach“. Aus Fleisch wird nicht einfach Fisch oder Gemüse. Der Konzern und mit ihm die noch vorhandenen Arbeitsplätze, die Gewinne, Dividenden, Gehälter und Löhne müssen in der Logik der Warengesellschaft unbedingt erhalten bleiben. Was soll also alternativ produziert werden, und zwar in solchen Mengen, dass das erwünschte Ziel erreicht werden kann? Selbst wenn man diese Waren identifiziert hat, müssen gigantische Kapitalien mobilisiert und umgewidmet werden. Mit dem Risiko, sie zu entwerten und in den Sand zu setzen. Schon jetzt stürzt die Produktion von Elektroautos zahlreiche Industriezweige der Fahrzeugproduktion tendenziell in den Ruin, so z.B. die Hersteller von Getrieben.

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Solange sich alle Menschen auf den individuellen Erwerb von Geldeinkommen konzentrieren und gegeneinander konkurrieren und dazu ihre Arbeitskraft als Ware anbieten oder von der Arbeit anderer leben müssen; solange die Bedingungen für die Herstellung der Güter und deren Verteilung Marktkriterien und Privatbesitz bestimmt werden, solange lässt sich das Ruder nicht wirklich herumwerfen. Der Veränderungen in Richtung einer nachhaltigen, ökologischen und humanen Arbeits- und Lebensweise sind ausgesprochen enge Grenzen gesetzt. Teilerfolge sind möglich, während das Ganze den Bach runter geht. Die Alternative besteht darin, dass die Menschen ihr Leben auf der Basis von bewusst und gemeinsam entwickelten Kriterien herstellen, ganz ohne Dazwischenkunft des Marktes und Geldes. Wie sich dieses Ziel verwirklichen lässt, ist die Debatte, die auf der Tagesordnung steht. Ob, welche und wieviel Transportmittel es dann geben wird, wollen wir bestimmen und nicht das Wertgesetz.

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Gaston Valdivia

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