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Gespräch (Auszug) mit M., (m), Jahrgang 1944

[…]

EBS: Also dieses Rauskommen, Wegkommen?

P: Also das war unglaublich wichtig. Raus aus dieser grauenhaften Einöde. [Schwäbisch] Gmünd, Politik, stell dir mal vor, Adenauer hast schon ... 20 Jahre Adenauer um die Ohren, oder 15 Jahre Adenauer als Kind, nur dieses Schwarz-Weiß, diese Schwarz-Weiß-Szenerie. Im Kino, wenn du ins Kino kamst, ist Adenauer gekommen. Wenn du ... 65 habe ich den das erste Mal im Fernsehen gesehen, ist nur Adenauer gekommen. Ab 65 aufwärts, nur Adenauer.

EBS: Aber was hat dir da das Auto geholfen?

P: Aus der Ära rauszukommen. Dein eigenes Ding zu machen.

EBS: Ja.

P: Das eigene Erlebnis zu finden. Das war das Auto. Und auch später, als ich verheiratet war, als wir eine Familie waren, war es tatsächlich so, dass ich 100 mal lieber im Auto gefahren bin als ein Mal im Bus oder im Zug. Weil dieses Gedränge, diese rotzigen Visagen, diese traurigen, ja, Visagen, ja? Und dieses Unpersönliche und dieses Eingezwängtsein. Und da sitzt du im Auto, rauchst eine Zigarette, guckst zum Fenster hinaus, ja, da fährst du mal ein Stündchen, dann guckst du wieder zum Fenster hinaus, und hörst Musik und unterhältst dich selber, das war eine Freiheit gegenüber diesem idiotischen Bus oder der Zugfahrt. Also ich bin 100 mal lieber heute noch unterwegs mit dem Auto als mit dem Zug.

EBS: Aber man könnte ja jetzt auch sagen, Mensch, du bist da in so einem Kasten eingeklemmt. So könnte man das ja auch sehen, dann noch im Stau.

 

P: Das ist ja mein Kasten. Das ist aber mein Kasten. Den habe ich mir gewählt. Mein Kasten. Ich kann rauchen, kann Musik hören, ich kann bequem sitzen, ich muss auf niemand Rücksicht nehmen, was auch ganz wichtig ist. Und wenn ich, ja, also wenn du irgendwo hinkommen willst, störts dich, wenn du im Stau stehst, aber wenn du deine Einstellung veränderst, störts dich überhaupt nicht mehr. Das stört überhaupt nicht, wenn du die richtige Einstellung dazu hast. Und die hast du, weil du ganz genau weißt, im Zug würde ich mich jetzt derartig beengt fühlen. Ich würde mich derartig..., ja. Ich bin kein Individuum mehr. Das ist wahrscheinlich das Schlimmste.

 

Fragen: Eva Berlin-Schmidt

Transkript: Irmela Fenner

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